Zoom & Co klauen Frauen das Charisma
2020 2021 ist das Jahr der Video-Konferenzen. Soweit, so bekannt. Eine aktuelle Studie kommt nun zu einem deutlichen Missstand: Demnach werden die via Zoom & Co. übertragenen Frauenstimmen als weniger kompetent und charismatisch wahrgenommen, als die Stimmen von Männern. Hintergrund sind demnach offenbar die Kompressionsalgorithmen der Audio-Codecs.
In der vergangenen Woche habe ich die aktuelle Ausgabe des „Woher weißt du das?“-Podcasts von ZEIT WISSEN angehört. Der Titel lautete „Das Geheimnis einer charismatischen Stimme“. Dabei wurde eine Studie thematisisiert, die von Jun.-Prof. Dr.-Ing. Ingo Siegert vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie von Prof. Dr. Olvier Niebuhr von der Universität Sønderborg, Dänemark, durchgeführt wurde.
Die Forschenden untersuchten die Kompression von Sprache bei Videokonferenz-Tools wie Zoom, Skype oder Microsoft Teams und analysierten die (Aus-)Wirkung auf das akkustische Charisma von Sprecher*innen. Dabei stellten sie fest, dass die untersuchten Codecs* zur Verringerung des Datenvolumens die Frequenzen bei der Übertragung ausdünnen und somit nicht alle Anteile der Sprache an die Rezipienten übermitteln. Was erstmal nachvollziehbar klingt, bekommt eine kritische Note, denn wie die Untersuchungen zeigten, werden dabei Frauen- und Männerstimmen nicht gleichbehandelt.
Die Wissenschaftler*innen spielten Testhörer*innen Audioaufnahmen von trainierten Sprecher*innen vor und ließen die Aufnahmen anschließend auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten. Die Ergebnisse zeigen, dass die vorgespielten Frauenstimmen signifikant schlechter bewertet wurden, als jene der Männer. Nach weiteren Untersuchungen von akustischen Markern wie Stimmhöhe, Stimmumfang oder Klangtiefe kamen die Forschenden zu dem Fazit, dass den über die oben aufgeführten Videokonferenz-Tools übermittelten Frauenstimmen wesentliche emotionale Komponenten fehlten, während diese bei den Männerstimmen weiter vorhanden waren.
„Bisher wird in der Audioverarbeitung mit vorher festgelegen Frequenzbereichen gearbeitet, die den stimmlichen Unterschieden der Geschlechter – vor allem der höheren Stimme von Frauen – nicht immer Rechnung tragen“
(Ingo Siegert)
Gerade in Zeiten der Pandemie kommt Videokonferenzen eine nicht zu unterschätzende Relevanz zu. Das gilt nicht nur für den beruflichen Kontext, sondern auch für Politik und Gesellschaft. In Zeiten, in denen sich Politikerinnen und Politiker via Zoom, Skype, MS Teams und anderen Bewegtbild-Angeboten an Wählerinnen und Wähler wenden, ist es unerlässlich Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu garantieren.
Ich bin der Meinung von Ingo Siebert:
„Wir haben mit dem neuen Wissen nun die Chance [ich ergänze: die Pflicht!], nachzusteuern, da wir jetzt konkret den Effekt zeigen und messen konnten.“
(Ingo Siegert)
*Analysiert wurden die verbreiteten Codecs AMRWB, AMRNB, GSMFR, MP3, Opus, Speex